Salzburger Festspiele 2023: Einblicke in den “neuen” Jedermann

15.06.2023

Michael Maertens mit Valerie Pachner (c) SF Friese
Michael Maertens mit Valerie Pachner

Mit Spannung und Vorfreude erwartet man heuer in Salzburg wieder einmal einen ganz neuen Jedermann. Das Spiel vom Leben und Sterben des reichen Mannes - das noch immer das Aushängeschild der Salzburger Festspiele ist. Seit zehn Tagen wird schon eifrig geprobt. Jetzt gewährt das das Ensemble der diesjährigen Jedermann-Neuinszenierung spannende Einblicke in die Vorbereitungen:

Trotz geballter, bereits 30-jähriger Festspielerfahrung mit insgesamt 123 Auftritten, habe er großen Respekt vor der Rolle, verrät der neue Jedermann-Darsteller Michael Maertens. Unter seinen Vorgängern gebe es spektakuläre Kollegen, die er bewundere, sagt er und nennt dabei Namen wie Lars Edinger, Ulrich Tukur, Tobias Moretti oder Curd Jürgens. „Ich möchte die Rolle aber auf meine Art spielen und mir nichts abschauen“, fügt Maertens hinzu, „oder nur so, dass es keiner merkt“, lacht er. Gefragt, was er mit seiner Darstellung beim Publikum auslösen möchte, sagt er: „Ich möchte, dass die Leute zumindest über Fragen nachdenken wie: `Warum bin ich hier? Warum muss ich wieder weg`? Das ist ein Thema, das auch mich von klein auf schon beschäftigt hat“.

Wie er betritt auch Valerie Pachner mit ihrem Auftritt im Jedermann Neuland. Nachdem sie in den letzten Jahren vor allem vor der Filmkamera stand, ist sie auf dem Domplatz gleich in einer historischen Doppelrolle – erstmalig werden Tod und Buhlschaft in einer Person gespielt – zu sehen. An die Theaterbühne habe sie sich schnell wieder gewöhnt, meint sie und beschreibt die besondere Rollenkonstellation so: „Ich freue mich auf die doppelte Herausforderung, die Proben mit einem so hervorragenden Ensemble sind für mich etwas ganz Besonderes.“ Geprobt habe sie schon beide Rollen, auch das in den letzten Jahren stark im Wandel befindliche Frauenbild beschäftige sie dabei: „Gerade in der Figur der Buhlschaft bündeln sich so viele Frauenfragen – gleichzeitig kann man die ganze Komplexität des Themas nicht nur an einer Figur festmachen.“ Automatisch komme man beim Tod auch zur Geschlechterfrage und bei anderen Allegorien etwa auch zur Frage nach der Bezeichnung als „Gott“ oder „Göttin“.

Regisseur Michael Sturminger zu den Eindrücken der ersten Probenphase: „Es ist ein riesiges Vergnügen und eine unglaubliche Situation, dasselbe Stück dreimal neu inszenieren zu dürfen.“ Dabei sei auch seine eigene Sichtweise in Bewegung gekommen und habe sich verändert: „Das Stück ermöglicht ganz verschiedene Zugänge. Was Max Reinhardt unter den Begriffen Glaube oder Geliebte verstanden hat, hat sich in 100 Jahren verändert. Das Stück lässt sehr viele unterschiedliche Perspektiven zu, das macht es in seiner Abstraktion so faszinierend.“

Auch unter den Musikern des Ensembles seien unfassbare Könnern, die Art und Weise, wie man gemeinsam arbeite, die Spannung, die man gemeinsam erzeuge und die Reihe von großartigen Schauspielern seien ein so großes Geschenk, dass er derzeit von sich sagen könne: „Ich bin im Augenblick der glücklichste Mensch der Welt“. Die Konzeption des Stücks ändere sich in diesem Jahr radikal: „Es bleibt kein Stein auf dem anderen“, sagt Sturminger, ohne zu viel verraten zu wollen. „Wir haben keine bewegliche Bühne, sondern ein echtes Bühnenbild, und wir beschäftigen uns beispielsweise auch mit der Frage: Was wäre, wenn das Sterben des reichen Mannes auch ein bisschen damit zu tun hat, dass wir in die falsche Richtung leben und dass wir uns selbst alle in Gefahr bringen?“

Nach langen erfolgreichen Jahren vor der Kamera und Auftritten mit Soloprogrammen kehrt auch Helmfried von Lüttichau auf die große Theaterbühne zurück. „Das ist für mich ein großes Abenteuer, ich bin aber erstaunt wie leicht es mir erstmal in den Proben fiel“, erzählt er. Den Zugang zur Sprache von Hofmannsthal habe er über eigene Gedichte gefunden und dabei entdeckt, dass viel über Rhythmus und eine spielerisch-musikalische Annäherung funktioniere.

Einander begegnet sind Birte Schnöink (Des Schuldknechts Weib/Werke) und Mirko Kreibich (Ein Schuldknecht/Mammon) schon als langjährige Ensemblemitglieder am Thalia Theater.  Entsprechend fühle es sich vertraut an, wieder miteinander zu arbeiten: „Man kann direkt an etwas Vorheriges andocken“, sagt Schnöink. Der großen Herausforderung, dem für sie neuen Stück zu begegnen, nähere sie sich ganz unbefangen. Auf Neues freut sich auch Mirko Kreibich nach seiner Mitwirkung an den früheren Inszenierungen von Michael Sturminger: „Es ist toll, nochmal bei einem neu besetzten Ensemble dabei zu sein – es ist wie ein kleines Theaterwunder und eine Ehre, den Stoff mit Michael Sturminger noch einmal komplett neu zu denken“.

Als „Theaterwunder“ erlebt auch Raphael Nicholas (Nachbarn/Tischgesellschaft/Werke) seine erste Probenarbeit bei den Salzburger Festspielen als Teil des Ensembles. Dessen gute und bewährte Zusammenarbeit heben auch Katharina Rose (Nachbarn/Tischgesellschaft/Werke) und Emanuel Fellmer (Ein armer Nachbar) hervor, der sagt: „Das Vertrauensverhältnis zu Michael Sturminger war schon immer sehr groß. Ich bin begeistert von seinem Konzept und von seinem Umgang mit der Herausforderung, uns als Ensemble zu finden – ich freue mich, wieder mit ihm zusammenzuarbeiten“.

Die humoristische Seite an ihrem Zusammenspiel als Dicker und Dünner Vetter heben Bruno Cathomas und Fridolin Sandmeyer hervor und betonen, wie gut sie einander ergänzen. Ohne dass sie sich vorher gekannt hätten, müsste man sagen: „It´s a match!“. 

Und ein große Combeback gibt´s auch: Nicole Heesters kehrt 50 Jahre nach ihrem Auftritt als Buhlschaft an der Seite von Curd Jürgens diesen Sommer als Jedermanns Mutter auf den Domplatz zurück.

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