Sicheres Zeichen für den Klimawandel: Berge in Bewegung
12.11.2024
Der Klimawandel wird auch im SalzburgerLand immer deutlicher sichtbar: In den vergangenen Wochen haben sich in den Hohen Tauern drei große Felsstürze ereignet. Verletzt wurde niemand, Schäden an Infrastruktur entstanden keine. Aber: Diese ungewöhnliche Häufung ist laut Landesgeologe Gerald Valentin ein sicheres Zeichen für den Klimawandel. Er untersuchte die Gefahrenstellen im Bereich des Hocharns in Rauris, im Bereich des Kitzsteinhorns in Kaprun (Großer Schmiedinger) und im Bereich der Warnsdorfer Hütte am Ende des Krimmler Achentals.
Gerald Valentin vom Landesgeologischen Dienst wirkt ganz klein neben den riesigen Eisbrocken, die sich im Bereich des Hocharns aus dem Gletscher lösten und einen Kilometer weiter unten liegen blieben. Sie wurden von einem riesigen Felssturz mitgerissen. Als Valentin zwischen den Lastwagen-großen Brocken aus Fels und Eis die Gegend unter die Lupe nimmt, wird klar, dass die „Lawine“ sogar ein Stück den Gegenhang hinauf „geschossen“ ist. „Eine unglaubliche Wucht“, so Valentin.
Permafrost taut auf
„Ich konnte den Grund bei der Ersterkundung im Bereich des Hocharns vor Ort feststellen. Eine tektonische Schwachschicht im Gebirge, die warmen Temperaturen, das damit verbundene Auftauen des Permafrosts und der viele Niederschlag im September haben den Felssturz verursacht“, so Gerald Valentin. Ergebnis: Mehr als 100.000 Kubikmeter Fels und Eis stürzten in Richtung Tal. Wie warm es heuer war, zeigen zum Beispiel die Aufzeichnungen am Rauriser Sonnblick auf 3.106 Meter Seehöhe. Zum ersten Mal seit Beginn der Aufzeichnungen war der Gipfel im Hochgebirge mehrere Wochen durchgehend frostfrei.
Valentin: „Auswirkungen auch im Tal.“
Das Verschwinden des Permafrostes und der teils intensive Regen bis weit hinauf bedeutet laut Valentin nichts anderes, als dass die Berge in den nächsten Jahren und Dekaden verstärkt in Bewegung geraten. „Das passiert derzeit im Hochgebirge so um die 3.000 Meter Seehöhe. Allerdings: Alles, was sich hier heroben ereignet, wird irgendwann im Tal ankommen – zum Beispiel als Mure oder als Geschiebe bei Hochwasser. Daraus müssen wir uns einstellen – in allen Lebensbereichen“, erklärt der Geologe.
Schauplatz Großer Schmiedinger
Der Hubschrauber bringt Gerald Valentin zur Ersterkundung zum Großen Schmiedinger im Bereich des Kitzsteinhorns, wo sich ein weiterer Felssturz ereignet hat, um die Gefahr einschätzen zu können. Hier ist das Gelände so steil, dass ein Aussteigen unmöglich ist, aber auch der Profi-Blick aus der Vogelperspektive erlaubt eine gute Einschätzung, ob Gefahr auch für Siedlungen und Menschen besteht. „Man sieht deutlich die große Abrisskannte in der Felswand. Hier haben sich rund 75.000 Kubikmeter Gestein in Bewegung gesetzt“, erklärt Gerald Valentin. Eine Gefahr für Almen oder Wanderwege ist zum Glück nicht gegeben.
Schauplatz Krimmler Achental
Vor kurzem wurde Gerald Valentin auch ein Felssturz im Bereich der Warnsdorfer Hütte ganz hinten im Krimmler Achental gemeldet. „Auch diesen werden wir noch genau untersuchen. Doch das Phänomen und die Häufung der Felsstürze zieht sich offenbar entlang der gesamten Tauern. Natürlich kam das immer mal wieder vor, aber die Dimensionen sowie die Häufung sind sehr bemerkenswert und auf jeden Fall eine Folge der wärmeren Temperaturen und des Klimawandels. Salzburgs Berge sind in Bewegung“, so Valentin.
„Kaskadeneffekt“
Gerald Valentin spricht in Zusammenhang mir den Felsstürzen im Gebirge von einem „Kaskadeneffekt“ als er die Gefahr der Felsstürze aus der Luft beurteilt. „Wir dürfen nicht glauben, dass das, was da in den Bergen passiert, eventuell ein paar Wanderwege betrifft und das wars. Nach und nach wird dieses lockere Material im Tal ankommen. Wir müssen uns daher jetzt schon Konzepte überlegen, um Infrastruktureinrichtungen und Siedlungen in den Tälern zu schützen und auch Konzepte, wo in Zukunft gebaut werden kann und wo nicht“, unterstreicht der Experte. Zu diesen Themen machen die Geologen des Landes regelmäßig Studien, die eine wichtige Entscheidungsgrundlage sind.